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Künstler: Isis

Album: In the absence of truth

Erscheinungsjahr: 2006

Anspieltipp: 1,000 shards

Autor: Markus

Intellektuelle sollen sie sein, Visionäre, Klangmagier der Apokalypse, Perfektionisten. Was wurde nicht alles in den letzten Monaten über Isis geschrieben? Spätestens seit der Veröffentlichung ihres vor zwei Jahren erschienenen Meisterwerkes „Panopticon“ ist die fünfköpfige Formation um Sänger und Gitarrist Aaron Turner nahezu jedem Freund ausgefallener Gitarrenmusik ein Begriff. In ihren Anfangstagen noch als Neurosis Klon belächelt, trat die Band bereits nach kurzer Zeit aus dem vermeintlich übermächtigen Schatten ihrer musikalischen Ziehväter hervor und bewies der Welt, dass Rockmusik im neuen Jahrtausend weder reaktionär noch effekthascherisch sein muss, um Menschen tiefgehend berühren zu können. Vorläufiger Höhepunkt der ungewöhnlichen Karriere des Quintetts dürfte die Ende diesen Jahres stattfindende Amerikatournee im Vorprogramm von Tool sein, zunächst allerdings wollen wir unser Augenmerk auf „In the absence of truth“ richten, das nunmehr vierte vollständige Studioalbum von Isis.

Niemand, der den Werdegang dieser einzigartigen Formation verfolgt hat, konnte ernsthaft erwarten, dass das Quintett zu seinen Noisecore-Wurzeln zurückkehren würde. Und natürlich ist dies auch nicht geschehen. Vielmehr legen Isis anno 2006 größten Wert darauf, den bandeigenen Stil hinsichtlich Atmosphäre und musikalischem Anspruch zu intensivieren. Dabei sind die Unterschiede zum direkten Vorgänger „Panopticon“ weit weniger offensichtlich als vielleicht erwartet. Selbige liegen eher in Details verborgen und offenbaren sich erst nach mehrmaligem Hörgenuss. „In the absence of truth“ wirkt alles in allem etwas fokussierter, organischer und vor allem wärmer als der vor zwei Jahren ins Rennen geschickte moderne Klassiker. Wenngleich sie noch immer äußerst komplex anmuten, widersetzen sich die insgesamt neun Kleinode zu jedem Zeitpunkt dem Vorwurf der Überfrachtetheit und erscheinen etwas leichter zugänglich und weniger konstruiert als die Songs auf „Panopticon“. Vor allem in atmosphärischer Hinsicht konnten sich Isis noch einmal deutlich steigern, was nicht zuletzt auf die etwas minimalistischer angelegten Arrangements zurückzuführen ist. Auch der Gesang Aaron Turners ist deutlich gereift. Agierte der Frontmann in der Vergangenheit häufig im Hintergrund, so tönt er heuer deutlich ausdrucksstärker und voluminöser aus den Boxen der heimischen Stereoanlage. Dabei bietet Turner nach wie vor die gesamte gesangliche Palette bestehend aus gemäßigten cleanen Vocals und wüstem Geschrei auf. Gerade hinreißenden Songperlen wie „Dulcinea“ oder „1,000 shards“ verleiht seine wirklich großartige Performance eine wahrhaft außergewöhnliche Note. Sämtliche der auf „In the absence of truth“ enthaltenen Kompositionen entwickeln ein beachtliches Eigenleben und verführen den Konsumenten mit subtilen Gitarrenmelodien und überirdisch in Szene gesetzten Percussions. Tatsächlich schlagen Isis im Gegensatz zu früher heuer häufiger ruhige Töne an. Dies gewährleistet jedoch, dass die eruptiven Momente in der Musik der Ausnahmeformation aus New England noch besser zur Geltung kommen. Denn es gibt sie immer noch, die kolossalen Wutausbrüche, die den Zuhörer aus seiner Lethargie reißen und die die zuvor errichteten Melodienkonstrukte zum Einstürzen bringen. Nur seltenerer sind sie eben geworden.

Wie schon „Panopticon“ ist auch „In the absence of truth“ vom Streben beseelt, einen vollständig individuellen Sound zu kreieren, der jegliche Kategorisierungsversuche zum scheitern verdammt. Umso erstaunlicher erscheint daher die Tatsache, dass man dieses mal ein Album geschaffen hat, das zwar alles andere als massentauglich daherkommt, jedoch derart viele Passagen mit hohem Wiedererkennungswert bereithält, das man die Scheibe immer und immer wieder hören möchte. Die neue Langrille aus dem Hause Isis ist ein wahrhaftiger Grower, wird mit jedem Durchlauf besser und erfüllt die immensen an sie gerichteten Erwartungen mit Bravour. Für mich das beste Album der Bandgeschichte. Und das ist angesichts von „Oceanic“ und „Panopticon“ alles andere als selbstverständlich.

 

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